Mehr als 80 Vertreterinnen und Vertreter evangelischer Kirchen kamen vom 17. bis 19. März 2021 zu einer virtuellen Tagung zusammen. Die Teilnehmenden aus mehr als 20 Ländern tauschten sich darüber aus, wie die Corona-Pandemie in den Kirchen erlebt wurde und wie die Kirchen bisher darauf reagiert haben.

Bei der Konsultation, die von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), der europäischen Region der Weltgemeinschaft Reformierten Kirchen (WGRK) und der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz (EKS) organisiert wurde, berichteten zu Beginn Referierende aus Spanien, Schweden, Ungarn und Grossbritannien über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf ihre Kirchen. Prof. Torsten Meireis (Berlin) präsentierte im Anschluss daran eine vom Fachbeirat Ethik der GEKE erarbeitete und soeben erschienene Orientierungshilfe, die theologisch-ethische, sozial- und gesundheitsethische Herausforderungen der Pandemie aufzeigt und Möglichkeiten des Umgangs damit für die Kirchen benennt.

In Arbeitsgruppen wurden anschliessend mehrere Handlungsfelder der Kirchen genauer beleuchtet: gottesdienstliche Praxis, das christliche Zeugnis in der Gesellschaft, diakonische Arbeit sowie die gelebte Gemeinschaft und Solidarität. Zum Schluss gab Prof. Ulrich Körtner (Wien) einen Ausblick in einem weiterführenden Kommentar zu 2 Tim.1,7: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“.

Mit Hilfe eines grossen digitalen Schubs ist es den Kirchen gelungen, trotz des Versammlungsverbots kreative und eindrucksvolle Lösungen für die Gottesdienste zu finden. Dies gilt gleichermaßen für Mehrheits- und Minderheitskirchen in der Stadt und auf dem Land. Auch verstärkten sie ihre seelsorglichen Angebote und ihre diakonische Arbeit für isolierte und betagte Menschen bzw. betroffene Familienangehörige. Als deutlich schwieriger wurden die Einschränkungen bei Beerdigungen, sowie das Gesangsverbot erlebt, die von vielen als Einschnitte in Religionsfreiheit und Bürgerrechte empfunden wurden. Auswirkungen der Corona-Pandemie wie häusliche Gewalt, die Gefahr steigender Bildungsungleichheiten oder die sich weltweit verschärfende Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoffen begegneten die Kirchen aktiv. Die Teilnehmenden kritisierten den häufig erkennbaren Vorrang der Wirtschaftsfreiheit vor dem individuellen Recht auf Gesundheitsfürsorge und die Fokussierung auf die physische Gesundheit unter Vernachlässigung der Auswirkungen der Krise auf die psychische Gesundheit. Dies sei eine der Lektionen, die die Kirchen gelernt hätten und bei der weiteren Auswertung dieser schwierigen Zeitspanne im Auge behalten werden. Es sei nicht das Ziel, zur „früheren“ Normalität zurückzukehren, sondern die nachhaltigen Auswirkungen der Krise in den Blick zu nehmen. Zugleich müsse ein neues Gleichgewicht zwischen sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit gefunden und gefördert werden.

Die Frage inwieweit sich Kirchen sich selbst als „systemrelevant“ verstehen, oder diese Rolle für sich reklamieren, wurde eindeutig präzisiert:  Denn Systemrelevanz in einem politischen Verständnis ist noch kein Indikator dafür, inwieweit die Kirchen den Auftrag des Evangeliums Gottes erfüllen. Die Kirchen sind herausgefordert, den apokalyptischen Vorstellungen mancher Prognosen mit Kraft, Liebe und Besonnenheit zu begegnen, indem sie sowohl der panischen Angst vor dem Virus wie auch dem absoluten medizinischen Fortschrittsglauben einer Null-Risiko-Gesellschaft widersprechen. Die Pandemie ist auch eine Anfrage an unser Gottesbild. Die Krise ist nicht als Strafe Gottes zu verstehen, wohl aber als Bewährungsprobe für den Glauben an das eine Wort Gottes, „dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben“ (Heidelberger Katechismus). Der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit bedeutet in keinem Fall Sorglosigkeit, emotionale Schwärmerei oder Trägheit, sondern bedeutet – wie Dietrich Bonhoeffer es formuliert – von der Auferstehung Christi und der österlichen Hoffnung her einen neuen, reinigenden Wind, der in unsere gegenwärtige Welt weht, zu verkündigen.

Eine weiterführende, physisch durchgeführte Tagung ist für Oktober in Rom geplant (nähere Informationen folgen im Sommer 2021). Die Dokumente der Tagung sind hier abrufbar.

European Protestants start to reflect on the first year of the pandemic

 More than 80 representatives of Protestant churches met online for a virtual conference 17–19 March 2021. Participants from more than 20 countries discussed how churches have experienced and responded to the corona pandemic so far.

The consultation organised by the Communion of Protestant Churches in Europe (CPCE), the European Region of the World Communion of Reformed Churches (WCRC) and the Protestant Church in Switzerland (PCS) started off with speakers from Spain, Sweden, Hungary and Great Britain describing how the COVID-19 pandemic has affected their churches. Next, Professor Torsten Meireis from Berlin presented a brand new guide produced by the CPCE’s Advisory Board on Ethics detailing the ethical challenges posed by the pandemic in theological, social and healthcare terms and highlighting potential approaches that churches might adopt.

The participants then split into working groups to examine some of the churches’ fields of action more closely – worship in practice, Christian witness in society, diaconal work, and practising communion and solidarity. Professor Ulrich Körtner from Vienna rounded off the event with his detailed outlook based on 2 Timothy 1:7, “For God has not given us the spirit of fear, but of power and of love and of consideration.”

With the aid of a major digital drive, the churches have succeeded in finding creative and impressive solutions for worship in the face of the ban on social gatherings – whether majority or minority churches, both in town and country. They also ramped up their pastoral care and diaconal work to aid isolated and elderly people and their concerned family members. The restrictions imposed upon funerals and the ban on singing proved considerably more difficult to bear and were perceived by many as infringements of religious freedom and civil rights. Repercussions of the pandemic such as domestic violence, the risk of increasing educational inequalities and the globally widening gap in access to vaccines have been actively countered by churches. The participants criticised the frequently evident prioritisation of economic freedom over the individual right to health care and the widespread focus on physical rather than mental health during the crisis. This was cited as one of the lessons that the churches had learned and would be bearing in mind during the ongoing evaluation of this difficult period. They stated that the aim isn’t to return to “former” normality, but to consider the lasting effects of the crisis. At the same time, a new equilibrium needs to be found and nurtured between social, ecological and economic sustainability and equity.

The question as to how far the churches consider themselves to be “relevant to the system”, or reclaim this role for themselves, was finely elaborated –  with relevance to the system in a political sense not to be deemed an indicator of how far the churches fulfil the mission of God’s Gospel. The churches are called upon to counter the apocalyptic visions of some predictions by exercising power, love and consideration to counter both panicked fear of the virus and the absolute belief in medical advances in a zero-risk society. The pandemic also asks questions about our image of God. The crisis should not be considered as a punishment from God, but certainly as a test of faith in the one Word of God “that we need to listen to, trust and obey, in life and in death” (Heidelberg Catechism). The spirit of power, love and consideration in no way means carelessness, emotional rapture or inertia, but – in Dietrich Bonhoeffer’s words – drawing upon the resurrection of Christ and the hope imparted by Easter to announce a new, cleansing wind blowing into our present-day world.

We plan to conduct a further, face-to-face conference in October in Rome (further details to follow in summer 2021). The conference papers are accessible here.